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BGH kippt Eigenbedarfs-Urteil: hohes Alter des Mieters nicht generell Härtegrund!

BGH, Urteil vom 22.05.2019, AZ: VIII 180/18 + VIII ZR 167/17

Der Mieter kann sich nicht generell auf sein hohes Alter berufen, um eine Eigenbedarfsklage abzuwehren! Das hat der Bundesgerichtshof am 22.05.2019 entschieden und damit seine Rechtsprechung zur Härtefallklausel (§ 574 BGB) konkretisiert. Dabei ging es um die Frage, inwieweit ein Mieter nach einer Eigenbedarfskündigung die Fortsetzung des Mietverhältnisses wegen unzumutbarer Häre verlangen kann.
Nach der Entscheidung des BGH  ist das hohe Alter eines Mieters nicht generell als Härtegrund zu berücksichtigen. Vielmehr ist im Einzelfall zu prüfen, ob der Auszug dem älterem Mieter tatsächlich nicht zugemutet werden kann. Daher muss das  Gericht bei einer Eigenbedarfskündigung das Vorliegen eines Härtefalles beim Mieter genau prüfen.  Jedenfalls müsse dann ein Gutachter herangezogen werden,  wenn der Mieter eine Verschlechterung seiner Gesundheit mit ärztlichem Attest im Umzugsfalle geltend mache.

 

Der Bundesgerichtshof hat mit dieser Entscheidung zwei Urteile des Landgerichtes Berlin (AZ: 64 S 176/17) und des Landgerichtes Halle (AZ: 1 S 245/26) aufgehoben, die folgenden Sachverhalt zum Inhalte haben:

Im Berliner Rechtsstreit berief sich die 80 jährige Mieterin, die zusammen mit ihren über 50 Jahren alten Söhnen, seit 1974 in der 3-Zimmerwohnung (73 qm) wohnte, auf die Härtefallklausel nach § 574 Abs. 1 S.  1 BGB. Nach einem vorgelegten Attest leide die Mieterin am Demenz. Daher sei sie nur noch bedingt in der Lage, sich an neue Lebensräume zu gewöhnen. Ein Umzug würde daher voraussichtlich zu einer Verschlechterung ihres Gesundheitszustandes führen. Auf Eigenbedarf geklagt hatte ein Vermieter, der mit seiner Ehefrau und den beiden Kindern aktuell in einer Zweizimmerwohnung (57 qm) lebt.  Das Landgericht Berlin hatte die Räumungsklage des Vermieters abgewiesen. Zwar sah das Landgericht den  Eigenbedarf des Vermieters als gegeben, bejahte jedoch den Härtefall der Mieterin.

Bei der Eigenbedarfsklage aus Sachsen-Anhalt bewohnten die Mieter mit einem volljährigen Sohn und dem Bruder des Mieters seit 2006 eine Doppelhaushälfte. Im Jahr 2015 kündigte der Vermieter das Mietverhältnis für seine geschiedene Ehefrau. Dies begründete er damit, das seine Exfrau das Haus beziehen möchte, um die dort in der Nähe lebende Großmutter besser betreuen zu können. Die Mieter widersprachen der Kündigung. Sie hielten die Kündigung für vorgeschoben,  da es zuvor Streit um Mängel gegeben habe. Zudem beriefen sie sich auf auf die Härtefallklausel, da der Bruder/Schwager zwischenzeitlich schwer erkrankt und der Mieter dessen bestellter Betreuer sei. Die Mieter hatten in der Berufungsinstanz ein Attest vorgelegt, wonach ein erzwungener Umzug zu einer erheblichen Verschlechterung des Gesundheitszustandes des Mitbewohners führen würde. Die Vorinstanzen hatten der Räumungsklage -ohne Beweisaufnahme zum streitigen Eigenbedarf - stattgegeben. Das von dem beklagten Mietern beantragte Sachverständgengutachten bezüglich des Gesundheitszustandes des Bruders wurde nicht eingeholt. Einen Härtegrund sah das Berufungsgericht in dem Attest nicht, da sich die schwerwiegende Beeinträchtigung oder Lebensgefahr nicht aus dem Attest ergebe.

In beiden Fällen hat der BGH die Urteile nun aufgehoben und an die Gerichte zur weiteren Sachaufklärung zurückgewiesen.

 

Zusammengefasst lässt sich festhalten, dass sich bezüglich der Härtefallklausel keine allgemeine Fallgruppen wie ein bestimmtes Lebensalter der Bewohner oder eine bestimmte Mietdauer bilden lassen! Vielmehr sind Faktoren wie  Alter und/oder lange Mietdauer mit einhergehenden Verwurzelung im bisherigen Umfeld je nach Persönlichkeit und körperlicher sowie psychischer Verfassung des Mieters im Einzelfall zu bewerten und zu berücksichtigen.